Berlin, Deutschland. Ein Dach für alle!

Die deutsche Hauptstadt fordert die Umsetzung der Volksentscheid zur Wohnungsunternehmen-Vergesellschaftung. Die Expert*innenkommission stellt den Abschlussbericht vor, der die Rechtsfähigkeit der Vergesellschaftung des Landes nach dem Sieg der Volksabstimmung zugunsten der Enteignung der großen Immobilienkonzerne bestätigt.

Von Carolina Menéndez Trucco

Der Abschlussreport der Expertenkommission, die nach dem gewonnenen Referendum zur Enteignung großer Wohnungskonzerne eingesetzt wurde, sieht keine Hindernisse für die Vergesellschaftung Immobilienunternehmen. Im Herbst 2021 stimmten rund 60 % dafür. Parallel zur Bundestagswahl im September des Jahres sprachen sich mehr als eine Million Berliner für die Enteignung von Immobilienfirmen aus, um den Markt zu regulieren und damit senken zu können, die überhöhten Mietpreise. Diese klare Mehrheit stimmte für die staatliche Eingliederung von mehr als 230.000 Wohnungen, und die Maßnahme gilt für Unternehmen, die über mehr als 3.000 Immobilien verfügen.

Kurzum: Zuerst wurde die Volksbefragung bei der letzten Bundestagswahl erfolgreich durchgeführt, dann wurde im Senat eine Expertenkommission eingesetzt, die ein Jahr lang über deren optimale Umsetzung debattierte. Und als Ergebnis davon wurde die letzte vorgelegte Dokumentation erreicht, die einen Rahmen für das künftige Landesenteignungsgesetz und die Einhaltung des Referendums darstellt. Mit anderen Worten: Berlin hat sich für ein Dach für alle entschieden. Und jetzt ist die Politik an der Reihe.

Zum Gemeinwohl

Der Bericht der Expertenkommission liefert die nötige Substanz, um auf dieser Grundlage zeitnah einen rechtlichen Rahmen vorzulegen. Nach dem positiven Ergebnis der Volksabstimmung (59,1 %) und nachdem die Kommission sie für machbar erklärt hat, bedarf die Enteignung in der Tat immer noch einer gewissen Rechtsprechung bei ihrer Durchführung. Und damit das Referendum umgesetzt werden konnte, musste die Initiative durch den Senat[1] gehen, denn um die Übertragung von Immobilien in Gemeinschaftseigentum voranzukommen, muss es ein Gesetz geben, das den wirtschaftlichen Entschädigungssummen der enteigneten Unternehmen festlegt.

Der Berliner Senat bzw. die aktuelle Regierungskoalition aus Sozialdemokraten (SPD) und Konservativen (CDU/CSU) sind aufgerufen, alle notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um Regelungen zu schaffen, die diesem Zweck dienen. Die Initiatoren des Volksentscheids, die Volksinitiative zur Enteignung “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” (DWenteignen)[2], sowie der deutschen Linken (Die Linke) und zuletzt die Umweltschützer Grüne Partei (Bündnis 90/Die Grünen) wollen einen schnellen Start.

Wem gehört die Stadt?

Tatsächlich ist Berlin zur Hauptstadt der Mieter geworden: Vier von fünf Berlinern mieten. Zudem ist die Konzentration so groß, dass 81,5 Prozent des gesamten Marktes von wenigen großen Unternehmen verwaltet werden. Von den 1,9 Millionen Immobilien im gesamten Stadtgebiet sind 1,5 Millionen Mietwohnungen, die sie vermieten. Und als ob das nicht genug wäre, hob das Bundesverfassungsgericht im April 2021 die Entscheidung auf, der Stadt einen Mietendeckel, also die vom Staat festgelegten Höchstgrenzen für Mieten, aufzuerlegen. Zu der bedauerlichen Tatsache kam noch eine weitere schlechte Prognose hinzu: die Projektion für 2030, dass zur Bewältigung des Wohnungsproblems mindestens 200.000 neue Eigentum erforderlich sein werden.

Schließlich hat sich die Immobilienkrise in den letzten Jahren verschärft. Berlin entwickelte sich von einer der günstigsten zu einer der teuersten Städte zum Leben, vor allem dank der schnellen und exponentiellen Monopolkonzentration und der daraus resultierenden Finanzspekulation in diesem Sektor. Der Berliner Senat verfolgt daher das Ziel, durch Neubau und Ankäufe den kommunalen Wohnungsbestand zu erweitern, um den Anstieg der Mieten in der Stadt zu bremsen, mittels seiner landeseigenen Verbände wie Degewo, Howoge, Berlinovo, Stadt und Land, unter anderem.

Die Mathematik der Sozialisierung

Wie viel würde es letztendlich kosten, den Wohnungsbestand großer gewinnorientierter Unternehmen in Gemeinschaftseigentum umzuwandeln? Eine Frage, die nicht so einfach zu beantworten ist. Bei der Festlegung der Entschädigungssumme, also bei der Kompensation von Enteignungen, ist zu berücksichtigen, was eine Immobilie außerhalb spekulativer Preisspiralen tatsächlich wert ist. Um diesen Marktwert zu ermitteln, gibt es mehrere Methoden. Nach dem Fair-Miete-Modell der Berliner Bürgerinitiative “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” würden große Wohnungskonzerne eine angemessene Vergütung erhalten, die in 40-jährigen Rückzahlungsanleihen erfolgen könnte, allerdings unter Berücksichtigung der Interessen der Mieter und nicht nur derer Unternehmen. Besagte Roadmap stellt sich vor, dass durch die Vergesellschaftung von Wohnungen Mietsteigerungen gestoppt und bezahlbare Beträge langfristig gesichert werden können. Den Prognosen des Senats zufolge könnten die Entschädigungskosten zwischen 29.000 und 36.000 Millionen Euro betragen, während die Enteignungsinitiative DWenteignen dagegen zwischen 7.300 und 13.700 Millionen rechnet.

In diesem Sinne analysiert eine kürzlich veröffentlichte Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung die Eigentümergruppen auf dem Immobilienmarkt und vergleicht dabei die Erträge börsennotierter Unternehmen mit denen staatlicher Unternehmen. In der gleichen Analyse lässt sich ein adäquater Bezugspunkt für die Berechnung der Entschädigung erkennen: Wie hoch muss ein nicht spekulatives Einkommen sein, um wirtschaftlich rentabel zu sein? Auf jeden Fall sollte dieses Vorhaben in einem neuen Gesetz verankert werden.

Nach Bekanntwerden des Abschlussberichts der Expertenkommission forderte “Deutsche Wohnung & Co. enteignen” die aktuelle Berliner Schwarz-Rot-Koalition aus Konservativen (CDU/CSU) und Sozialdemokraten (SPD) auf, rasch einen rechtlichen Rahmen vorzulegen. Demnach verfügt der Stadt Berlin über die Gesetzgebungskompetenz und würde richtig handeln, wenn es die Umsetzung vorantreiben würde. Auch Experten sind davon überzeugt, dass eine gerechte Entschädigung möglich ist. Dennoch, es ist nicht alles rosig.

Pro und Contra zur Enteignung

Wie nicht anders zu erwarten war, waren sowohl die rechtsextreme Partei (AfD) als auch die Liberalen (FDP) von der ersten Minute an dagegen. Die Befürworter des Rechts auf Wohnraum fordern ihrerseits die Regierungskoalition in der Hauptstadt auf, die Umsetzung des Volksbegehren 2021 und ein Gesetz zur Vergesellschaftung einzuführen, um die Wohnungskrise zu lösen. Obwohl sich die Grünen (Bündnis 90/Die Grünen) schon lange nicht mehr auf eine gemeinsame Position einigen konnten, gemischte Signale gegeben und sogar in Betracht gezogen haben, dass ein solcher Schritt nur als letztes Mittel möglich wäre, unterstützen sie die Kampagne nun offenbar vorläufig. Stattdessen setzte sich die Linkspartei (Die Linke) von Anfang an für den Volksentscheid ein und schlug, ähnlich wie die Bemühungen der Mieterbewegung, einen Konfrontationskurs für bezahlbare Mieten statt für große Gewinne ein.

Kollektiveigentum

Die aus 13 Experten bestehende Kommission befasste sich mehr als ein Jahr lang mit den rechtlichen Fragen rund um die Vergesellschaftung im Sinne des Allgemeinwohls. Dieser Abschlussreport kann nun als Modell für ein echtes Vergesellschaftungsgesetz vorlegen. Denn nach Artikel 15 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ist für die Durchführung der Übertragung von Wohnimmobilien in Gemeinschaftseigentum ein gesetzlicher Rahmen erforderlich, der auch die Art und Höhe der Entschädigung festlegt.

Im Deutschen gibt es zwei Begriffe zur Unterscheidung der Übertragungsarten (Enteignung und Vergesellschaftung): Während sich die eigentliche Enteignung auf einzelne Vermögensbestandteile richtet, zielt die Vergesellschaftung auf die Überführung von Unternehmen und ganze Wirtschaftszweige in die Gemeinwirtschaft ab. Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung handelt es sich um eine Wirtschaftsform, deren wichtigster Zweck die Deckung von sozialen Bedürfnissen ist und die nicht auf privaten Profit ausgerichtet ist. Der Sinn der Verstaatlichung der Wohnungen besteht dann darin, überhöhte Mieten zu vermeiden. Daher wäre die Vorgehensweise, den Wohnraum aus der freien Marktwirtschaft herauszunehmen, damit die Sozialisierung Vorrang hätte.

Ein Dach für alle!

Die öffentliche Debatte über die Enteignung der großen Immobilienkonzerne angesichts der exorbitant steigenden Miet- und Kaufpreise für Eigenheime macht zweifellos deutlich, dass die bloße Erfolgsaussicht dieses Wandels eine Herausforderung darstellt. Nicht nur in Berlin, sondern auch im Rest von Deutschland und der Welt. Doch abgesehen von den Schwierigkeiten und dem neuen Rechtsrahmen, der für die Umsetzung erforderlich ist, ist der erste Schritt bereits getan. Es ist ein Triumph der Volksbewegung, die die Unterschriften für das Referendum sammelte, es durchsetzt, es dann mit einer starken Kampagne, Märschen und anderen Druckinitiativen gewann und nun weiterhin dafür sorgt, dass die Enteignung zustande kommt.

Viele setzen große Hoffnungen auf Sozialwohnungen, um mehr Wohnraum zu schaffen. Außerdem, geht es darum, Häuser, die von großen Immobilienunternehmen und nicht von Privatpersonen stammten, in die Hände des Staates zu übertragen. Es geht darum, dass die Enteignung nicht nur auf den Rechtsakt eines Eigentümerwechsels reduziert werden kann. Das Hauptziel sollte darin bestehen, wichtige Bereiche der Gesellschaft unter demokratische Souveränität zu bringen.


[1] Der Senat ist als ausführende Gewalt (Exekutive) und besteht aus dem Regierenden Bürgermeister und acht Senatoren. Der Bundesrat ist ein Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland.

[2] “Deutsche Wohnen & Co. enteignen.” ist die Volksinitiative zur Enteignung, die Initiatoren des Volksentscheids. Im Gegensatz zu DW, eines der großen Immobilienunternehmen.